Erfahrungsbericht Biblioteca Popular Palabras del Alma, Argentinien

Stefanie, Einsatzzeit: 2017 - 2018

Die Ankunft in Argentinien und die ersten Tage waren voll von neuen Eindrücken und sehr anstrengend. Mein Arbeitsplan sieht so aus, dass ich montags und mittwochs in der kleineren Bibliothek im Stadtteil „Nuestra Señora de Pilar“ bin und an den anderen drei Tagen in der großen Bibliothek in Peruzzotti. Insgesamt gibt es viele verschiedene Aktivitäten und daher auch viele Beteiligte in der Bibliothek.


An Programmen gibt es verschiedene Arten in der Bibliothek. Erstens die Nachmittage, an denen Kinder aus dem Stadtteil kommen und an Kursen teilnehmen können. Dort bin ich am meisten involviert. Zweitens der „jardín de infantes“, der Kindergarten. Dieser findet an einigen Vormittagen in den zwei kleinen Klassenräumen statt. Bei diesem Kindergartenprogramm kommen Erzieherinnen, die noch in der Ausbildung sind, in die Bibliothek und arbeiten mit Kindern von drei bis fünf Jahren zusammen, die keinen Kindergartenplatz bekommen haben. Das dritte große Programm ist der „plan del fines“. Dies ist die Möglichkeit für Erwachsene ihren Schulabschluss nachzuholen.


Jedes Mal, wenn sich jemand bei uns nach dem „plan fines“ erkundigt oder sich anmeldet, ist das für mich ein schöner Moment. Es ist für viele der Beginn eines neuen Lebensabschnitts.


Ich biete einen Englischkurs an, der für Kinder von sechs bis zwälf Jahren gedacht ist. Es gibt aber auch ein paar Kinder, denen ich lesen und schreiben beibringe. Die Arbeit mit ihnen macht mir sehr viel Spaß und es ist sehr schön, ihre Fortschritte zu sehen und kleine Erfolgserlebnisse zu haben. Nachmittags helfe ich den Kursleitern und wenn diese mal nicht da sind, dann mache ich alleine etwas mit den Kindern. Um 17.00 Uhr bekommen die Kinder dann Merienda, den Nachmittagssnack. Ich kann mittlerweile sagen, dass die Arbeit der Bibliotheken in den Stadtteilen sehr wichtig ist.
Am ersten Tag des neuen Schuljahres haben die Gründer der Bibliothek, eine Rede vor den Erwachsenen gehalten, um sie zu beglückwünschen, diesen Schritt gemacht zu haben und um sie zu motivieren. Ich sollte dann spontan auch vor allen Leuten kurz etwas über mich sagen. Ich habe davon gesprochen, dass Sprachen lernen wichtig ist und einem den Horizont für andere Menschen und Kulturen erweitert. Es war ein tolles Gefühl den „Schüler*innen“ an ihrem ersten Tag etwas mit auf den Weg geben zu können. Mich hat außerdem sehr erfreut, mit welchem Respekt mir die Schüler*innen entgegen gekommen sind.


Meine erste große Reise fand Ende Dezember statt. Es handelte sich dabei um eine Bildungsreise meiner Einsatzstelle in ein Dorf in Misiones. Wie haben immer morgens und nachmittags jeweils eine „comunidad“ der Guaraní besuchten. Die Guarani sind amerikanische Ureinwohner*innen, die in Dörfern und Gemeinschaften zusammenleben. Wir haben die Dörfer besucht und dort verschiedene Aktivitäten mit den Bewohner*innen gemacht. Mit den Kindern haben wir zum Beispiel gemalt und gebastelt. Mit den Frauen haben wir viel Kunsthandwerk angefertigt.


Die Arbeit in meiner Einsatzstelle hat mich auf jeden Fall persönlich sehr weiterentwickeln lassen. Bei der Arbeit mit Kindern habe ich sehr viel gelernt - jeden Tag etwas Neues. Von der Erziehung bis hin zur Vermittlung von Wissen. Außerdem habe ich durch die Arbeit mit den Kindern sehr schnell de Sprache gelernt.


Ein Jahr in einem für mich fremden Land zu leben, zu arbeiten, Freunde zu finden und zu reisen lässt einen enorm wachsen. bin ich viel selbstständiger geworden. Ich habe gelernt mit argentinischen Bussen zu fahren (kann sehr verwirrend sein), ich fahre alleine mit dem Fahrrad zur Arbeit, ich habe mich im Fitnessstudio, beim Tangokurs und einem weiteren Tanzkurs angemeldet, und das schon nach wenigen Wochen. Es kostete mich am Anfang etwas Überwindung alleine irgendwo hinzugehen und mich anzumelden, aber es lohnt sich, denn es ist sehr wichtig sich einen Alltag und eine Routine aufzubauen.


Ich habe neue Freunde gefunden, sowohl Argentinier*innen, als auch unter meinen Mitfreiwilligen. Ich weiß jetzt, dass ich alles alleine schaffen kann, wenn ich will, aber es natürlich nicht muss.
Auch habe ich nach einem Jahr in Argentinien die Erfahrung gemacht, wie es ist als Fremde im Ausland zu leben. Ich persönlich finde, jede und jeder sollte mal die Erfahrung gemacht haben „der*die Ausländer*in“ zu sein.
Hier lebe ich natürlich auch sehr privilegiert und bekomme von den meisten Sorgen nur durch Erzählungen mit. Dennoch habe auch ich hier Kälte, Ungeziefer, Stromausfälle und Wasserknappheit erlebt. Ich freue mich nach Deutschland zurückzukehren, aber fühle mich gleichzeitig auch schlecht, da ich mich auf den Luxus freue, den ich haben werde und frage mich womit ich das verdient habe.


Nach einem Jahr in Argentinien fühle ich mich hier auf jeden Fall vollständig angekommen und bin mit den Menschen und der Kultur vertraut. Das Land Argentinien ist nun ein Teil von mir und ein Teil meines Herzens wird immer daran hängen.
Dies ist für mich sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit: Zeit - das Wertvollste, was wir haben- zu schenken. Es hat mehr Wert als ein kurzer schneller Aufenthalt, bei dem man einmal in eine Einsatzstelle reinschaut und dann wieder verschwindet. Ich finde, dass der Freiwilligendienst eine gute Möglichkeit bietet interkulturelle Zusammenarbeit zu fördern.
Ein Jahr in einem fremdem Land zu leben beschert einem sehr viele Erfahrungen - positive wie herausfordernde, aber es hat sich definitiv gelohnt sie zu machen. Denn sie haben mich geprägt und ich hätte all dies nie in einem Jahr in Deutschland erlebt.