Erfahrungsbericht: L'Arche Syracuse, USA

Dominik, Einsatzzeit: 2015 - 2016

Zwei Wochen lang wurden wir auf unsere Einsätze in unseren jeweiligen Einsatzstellen von unserer Entsendeorganisation In VIA Köln vorbereitet. Und die Spannung in mir stieg immer weiter an. Wie würde es werden? Wie werden die Leute mit denen ich zusammen lebe und arbeite sein und wie würde die Stimmung im Team sein?

 

Am 20. September 2015 ist mein Flieger dann in Syracuse gelandet und ich war froh endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen zu haben. Ich war noch nie zu vor mit einer Propellermaschine geflogen. Der Pilot war unglaublich freundlich und stellte mich „den Europäer“ unserer Flugtruppe von ungefähr 20 Leuten zu Beginn des Fluges vor und lud die Leute ein mit mir zu sprechen. Ein unglaublich offener Charakter, auf den ich noch öfters hier in den Staaten treffen sollte…

 

Am Flughafen in Syracuse angekommen erfuhr ich dann, dass die Fluggesellschaft meinen Koffer im Flughafen in Newark vergessen hatte. Ich war aber im Allgemeinen zu glücklich endlich in den USA angekommen zu sein um mich darüber großartig zu beschweren. Mein Hauskoordinator stellte mir netterweise ein paar Anziehsachen zur Verfügung und an meinem zweiten Tag in Syracuse wurde mir mein Koffer nach geschickt, sodass ich beginnen konnte es mir in unserem Haus heimisch zu machen.

 

In der Arche leben und arbeiten Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Die Menschen mit Behinderungen werden hier Core Member genannt. Das heißt so viel wie, dass sie im Mittelpunkt der Arche Gemeinde stehen. Zusammen bilden wir eine Gemeinschaft und fördern diese, so wie Beziehungen zu Menschen in und außerhalb der Arche in Syracuse.

 

Wie das ganze passiert? Ich würde sagen durch eine Gastfreundschaft und Offenheit, wie ich sie noch nie zu vor erlebt habe. Die Arche hat unglaublich viele Freunde und es werden immer mehr. Leute anfänglich „Fremde“ werden eingeladen und Beziehungen entstehen hier so unglaublich schnell.

 

Vier Häuser und das Büro bilden die Arche hier in Syracuse und 15 Core Member so wie neun live-in-Assistent wohnen momentan zusammen in den Häusern. Jeden Dienstag ist das Prayer und an jedem ersten Dienstag im Monat ist das sogenannte „Potluck Dinner“ bei dem die Arche zusammen kommt und neben dem Beten und Singen auch noch ein sehr leckeres Abendessen zusammen hat. Ich muss glaube ich gar nicht erst sagen, dass das mein Favorit eines jeden Monats ist. Ich treffe neue und alte Freunde der Arche. Einfach nur super!

 

Das Haus in dem ich hier lebe heißt Galster und hier hat sich in den letzten Monaten (auch schon vor meiner Ankunft) eine Menge getan. Momentan leben hier drei Core Member und vier live-in-Assistants. Die Bewohner*innen hier sind unglaublich geduldig mit uns neuen Assistants. Eine Eigenschaft die ich sehr respektiere und für die ich sehr dankbar bin. Nach so vielen Wechseln im Team hätte ich auch verstehen können wenn sie sich verschließen würden. Aber das ist was mir hier in der Arche so gut gefällt, statt sich zu verschließen hat es sich für mich so angefühlt als hätten sie mich noch schneller in ihre Arche Familie aufgenommen.

 

Archeleben in den USA

 

Für mich ist es Privileg, in der Arche zu leben und zu arbeiten. Denn auch wenn es viele vollgepackte Tage gibt, gibt es auch genügend Tage, die sich unser Haus freihält und die ganz im Zeichen der Gemeinschaft stehen. Tage, an welchen wir gemeinsam kochen, essen, Ausflüge machen, Filme schauen oder einfach zusammen sitzen, singen und beten.

 

Jeden Donnerstag haben wir Teammeetings, in welchen wir über neue Möglichkeiten sprechen, die Bewohner*innen in ihrer Selbständigkeit zu unterstützen. Ein Aspekt, der mir besonders gut gefällt, da vor allem Kreativität ein wertvolles Instrument in diesem Prozess ist. In diesem Zusammenhang steht außerdem auch noch unsere Rolle als Motivatoren. Es geht darum, die Bewohner*innen anzufeuern, wenn sie gerade mit einer Aufgabe nicht weiter kommen, sie zu motivieren, es weiter zu versuchen und nicht aufzugeben.

 

Mir wurde noch nie wirklich langweilig in meiner Zeit hier und es gibt immer neue Events, die anstehen. So durfte ich z. B: eine Reise nach Florida für einen Core Member organisieren und begleiten und vor Ort die Universal Studios und Disneyland besuchen und einfach eine schöne Zeit miteinander haben.

 

In meiner Freizeit nehme ich an einem Projekt teil, indem Obdachlose und andere Interessierte zusammen Fahrräder reparieren und Radtouren machen. Danach gibt es für alle ein warmes Mittagessen. Davon erfahren habe ich durch einen obdachlosen Mann, der mich nach Hause gebracht hat als ich mich in Syracuse auf meinen Fahrrad verfahren habe. Er hat mich angesprochen und hat mir seine Hilfe angeboten und wir hatten ein nettes Gespräch. Nachdem wir bei mir zu Hause angekommen waren hat er mich eingeladen mal zu dem Projekt „Pedal to Possibilities“ zu kommen.

 

Und seit dem genieße ich jeden Mittwoch und Freitag die Gespräche und Gastfreundschaft der Menschen dort. Man lernt super Leute kennen und hört tolle Geschichten. Das sind einfach zwei super Eigenschaften auf die ich in der Arche und allgemein in Syracuse sehr häufig treffe und die sehr inspirierend sind. Ich habe das Gefühl ich bin angekommen.

 

Weihnachtszeit

 

Es war mein erstes Weihnachten, welches ich nicht zusammen mit meiner Familie feiern würde. Die Stimmung, dass Weihnachten anders werden würde, kam schon Anfang Dezember auf, als ich meine Weihnachtsgeschenke 20 Tage vor Weihnachten losschickte, damit sie auch rechtzeitig zu Heiligabend ankommen würden und es besserte sich nicht gerade, nachdem wir einen Plastikweihnachtsbaum aufgestellt hatten (aus Feuerschutzgründen versteht sich).

 

Es war merkwürdig zu wissen, dass ich nicht mit meiner Familie feiern würde. Und dieses Jahr hat auch wirklich ein Teil von Weihnachten gefehlt. Zudem hatte es sich komisch angefühlt, nicht an Heiligabend, sondern am ersten Weihnachtstag zu feiern. Es war umso schöner, dass ich die Gelegenheit hatte, mit einem großen Teil meiner Familie am 24. Dezember sprechen. Es ist schön zu wissen, eine so unterstützende Familie im Rücken zu haben.

 

Auch wenn Weihnachten in einer anderen Tradition ein komisches Erlebnis war, war es umso schöner, dass die Menschen hier alles dafür getan haben, Weihnachten so schön wie möglich zu gestalten. Wir hatten zum Beispiel zwei Donnerstage, die wir mit Plätzchenbacken, Dekorieren und Wichteln verbracht haben, natürlich gefolgt von einem gemeinsamen Naschen der Plätzchen. Und auch die Weihnachtsfeier der Arche war schön. Wir haben zusammen bei uns im Haus gefeiert und es waren um die 20 Leute da.

 

Nach der Weihnachtsfeier der Arche, wurde ich noch zum Weihnachtsessen bei der Familie einer anderen Assistentin eingeladen. Dabei durfte ich neben dem sehr leckeren Essen auch noch Gesang und Spiele genießen.

 

Wandel und wachsen

 

Während unserer Vorbereitungszeit haben wir viel über Selbstreflektion gesprochen. Wie wichtig es sei, zu reflektieren und nachdem ich in den USA gelandet bin, habe ich erst richtig verstanden, was damit gemeint war.

 

Es passiert so viel in der Arche an einem einzigen Tag. Die Menschen, die hier leben, sind glücklich und/oder können frustriert sein, sie lachen in einem Augenblick und können im nächsten Moment ängstlich sein. Sie sind gesund oder krank, könnten Schmerzen haben, zeigen es aber nicht. Ich spreche in einer anderen Sprache und benutze fremde Wörter. Die Menschen um mich herum sprechen in einer anderen Sprache und ich deute. Ich kann etwas richtig deuten oder falsch und ich kann die richtigen Wörter benutzen oder ich entscheide mich für die falschen. Ich reagiere und häufig muss man schnell reagieren, Entscheidungen treffen.

 

Und am Ende eines Tages falle ich häufig in mein Bett und denke darüber nach, was eigentlich passiert ist. Ich reflektiere den Tag, meine Entscheidungen und was sie bewirkt haben, welche Erfahrungen ich gesammelt habe und wie sie mir im Leben vom Nutzen sein könnten. Was war wichtig oder eher weniger? Was kann ich besser machen?

 

Ich merke, wie mich das Reflektieren stärkt und ich mich durch das Reflektieren verändere. Ich glaube, dass ich in den Monaten, die ich jetzt hier bin, selbstbewusster geworden bin, was das Fällen von Entscheidungen angeht und auch besser darin geworden bin, Fehler einzusehen und zu versuchen, an einer Lösung zu arbeiten.

 

Unter anderem habe ich „Stille“ für mich entdeckt. Es tut manchmal gut, einfach einen Moment für sich zu haben, sich in dem Moment zu erholen. Auch wenn Menschen um dich herum sind, die Situation einfach ruhiger anzugehen. Herauszufinden was sage ich und wann behalte ich einen Gedanken einfach mal für mich.

 

In der Zeit hier habe ich auch gelernt, wie wichtig Dankbarkeit ist. Wie ein einfaches Danke jemanden zum Lächeln bringen kann und dadurch anzuerkennen, dass jemand etwas Tolles gemacht hat.

 

Mir geht es gut hier. Ich lerne neue Menschen kennen und schließe Freundschaften. Ich verstehe mich extrem gut mit meinen Mitbewohnern und vier Jesuiten-Freiwilligen. Wir gehen Wandern, Essen oder verbringen einfach nur Zeit miteinander.

 

Wandel ist ein großes Wort in der Arche hier in Syracuse. Vielen der Bewohner*innen merke ich Alterungsprozess mittlerweile richtig an. Erst vor kurzem ist ein weiterer Bewohner der Arche gestorben. Und zwei neue Bewohnerinnen sind eingezogen. Man lernt sich auf den Wandel einzustellen und wird flexibler.