Die erste Woche in der Einsatzstelle verlief anders als ich es erwartet hatte, denn am 18. September ist in Chile Nationalfeiertag, den die meisten Chilenen*innen gerne und groß feiern. Im Liceo stand in der Woche vor dem Nationalfeiertag deswegen kaum normaler Unterricht auf dem Plan, sondern Cueca-Wettbewerbe und -Auftritte (traditioneller Tanz), sowie das Backen und Kochen von Empanadas.
Neben den Sprachen (Englisch, Spanisch), Naturwissenschaften, Musik, Kunst und Sport wird an der Schule ein Fokus auf die landwirtschaftlichen Felder/Fächer gelegt. Die Schule heißt deswegen auch
Liceo Agrícola. Die Schüler*innen haben somit eine Grundausbildung im Bereich der Landwirtschaft. In der Region de Los Lagos/Los Rios, wo viel Ackerbau und Landwirtschaft betrieben wird, ist das
natürlich auch sinnvoll.
Meine Aufgabe im Liceo ist, mit in die Klassen zu gehen (vorwiegend Mathe und Englisch, aber auch teilweise in Biologie und Musik). Im Unterricht helfe ich mit, indem ich die Fragen der
Schüler*innen bezüglich eines Themas oder einer Aufgabe mit ihnen bespreche oder erkläre. Dreimal die Woche gebe ich alleine Nachhilfestunden in Mathe und Englisch. Diese Nachhilfestunden machen
mir persönlich am meisten Spaß, da ich die Stunde selbst gestalten darf und Zeit habe den Schüler*innen ein Thema zu erklären.
Da das Liceo ein Internat ist, bin ich abends unter der Woche meistens im Liceo und wir bieten die Koch- und Back- oder eine Deutsch-AG an, spielen Karten im Pavillon der Mädchen oder schauen
Filme.
Einmal die Woche arbeiten wir mit dem ältesten Jahrgang (Cuarto Medio) im Stall der Terneras (Kälbchen) mit und den anderen Tag in der Woche sind wir selber Monitore (Leitung) und haben eine
Kleingruppe von zehn Schüler*innen. Die letzten Male haben wir beispielsweise. auf dem Kompost gearbeitet, eine Müllsammelaktion gemacht, Blätter zusammen gefegt, Kastanien gesammelt, gekocht und
gepuhlt.
Jedes Jahr findet ein englisches Summercamp für Schüler*innen aus ganz Chile statt, die an einer SNA Schule sind (vom Staat geförderte Schulen). Die Schüler*innen, die gut in Englisch und
Sozialverhalten sind, bekommen die Möglichkeit an dem Summercamp umsonst teilzunehmen. Anna und ich durften bei dem zweiwöchigen Summercamp als Lehrerinnen mithelfen. Neben dem theoretischen
Unterricht machten wir Ausflüge ins Schwimmbad, an den See, zu Wasserfällen, nach Osorno und nahmen bei einer Lipdub Challenge teil. Sonst hatten wir abends Zeit Karten zu spielen oder uns
einfach zu unterhalten mit den Schüler*innen.
Nach und nach hat sich für mich die Art der Arbeit verändert. Das liegt daran, dass ich die Kinder kennen gelernt habe, die Sprache besser beherrsche und mich mehr wie zu Hause fühle. Zudem fühle
ich mich selbstbewusster im Umgang mit den Kindern in der Klasse und für mich ist Stück für Stück das Alltagleben eingekehrt.
Einmal abends in der Woche fahren Anna und ich nach La Union, um zum Zumba zu gehen. Das Tanzen zum lauten Cumbia macht richtig Spaß und Zumba ist auch ein guter Treffpunkt, um andere Leute
kennenzulernen. Sonst treffen Anna und ich uns am Wochenende mit Freunden oder sind manchmal bei Schüler*innen oder bei Lehrkräften eingeladen.
Ich habe mich an das Leben in Chile (das Klima, die Menschen, die Busse etc.) gewöhnt und es ist beispielsweise kein Abenteuer mehr mit dem Bus in die Stadt zu fahren, Empanadas zu essen oder
eine Kuh vor meinem Pavillon zu sehen.
Das Zwischenseminar von IN VIA Köln e.V. fand in Buenos Aires/ Argentinien statt (und nicht in Chile), da elf Freiwillige in Buenos Aires und nur drei Freiwillige in Chile sind. Der Sinn des
Zwischenseminares war einerseits, das vergangene halbe Jahr zu reflektieren hinsichtlich wie es einem im Land/Einsatzstelle erging (Erfolge, Probleme, etc.). Andererseits sammelten wir aus den
Erfahrungen des vergangenen halben Jahres und den Erfahrungen von den anderen Mitfreiwilligen und Teamer*innen Verbesserungsvorschläge und Motivationen für das kommende halbe Jahr.
Ein Thema, was mich in letzter Zeit beschäftigt und mich traurig macht, ist die Ungerechtigkeit in Bezug auf den Lebensstandard der Menschen in Chile. Zum Beispiel verdient eine Landfamilie (die
das Land bewirtschaftet aber nicht besitzt) etwa so viel, wie die Familie, denen das Land gehört, für die private Schulbildung ihrer Kinder bezahlt. Und meist entscheidet sich bei der Bildung
eines Kindes der Weg ihrer*seiner Zukunft.
Nach den Ferien (dem Entdecken von vielen unterschiedlichen Teilen Chiles und teilweise Argentiniens mit atemberaubender Natur, liebenswürdigen Menschen) freute ich mich wieder zurück in das
Liceo zu kehren und auf die Arbeit mit den Kids.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass es mir in meiner Einsatzstelle sehr gut geht, da ich vielseitig helfen kann und mir meine Aufgaben Spaß machen! Auch mag ich es auf dem Land zu leben und
genieße das Internatsleben mit den Schüler*innen.